Die Altfigurenkrise 2008

Mitte der 2000er deuten die Zeichen auf einem verlustreichen Abstieg der Ü-Ei-Szene hin. Immer mehr Sammler kehrten dem Gebiet aus unterschiedlichsten Gründen den Rücken zu. Den Einen stören die vielen Fälschungen, die zu dieser Zeit den Markt überschwemmen. Den Anderen wiederum gefiel nicht, was Ferrero in die Eier packte. Ein Dritter merkte, dass das Ü-Ei doch nicht die richtige Geldanlage war.  

Im Ergebnis fielen die Preise. Zuerst für die der Massefiguren aus den 1990ern. Serien wie Bingo Birds und Funny Fanten sind inzwischen wertlos. Aber auch die bisher begehrten Figuren erschienen häufiger in Onlineauktion als sonst.

  

Was jedoch immer hohe Preise erzielte – auch in dieser Phase - waren Altfiguren aus der Zeit vor 1980. In jedem neuen Katalog tauchten neue Varianten und Serien auf, die angeblich im Ü-Ei waren.  


Ein bis dahin gut behütetes Geheimnis war die sogenannte Warenmusterliste aus dem Ferrero Archiv. Dort sind die einzelnen Ü-Ei-Inhalte in Form von jahrgangsbezogenen Musterplatten abgebildet. Viele der Altfiguren, die damals im Katalog waren sucht man darauf vergebens.

 

 Die Masse der Sammler waren hier jedoch außen vor. Nur wenige Menschen kennen heute noch diese Liste. Figuren wie Hans im Glück z.B. kosteten damals hohe dreistellige Beträge, die auch gezahlt wurden. Etwas das heute undenkbar ist. Was jetzt kommt, könnte der Grund dafür gewesen sein.  

Im Sommer 2008 platzte die Bombe

 

 

Ein neues Tool mit dem Namen Goofbay war in der Lage, durch Eingabe eines Usernamens anzuzeigen, wo dieser seine eBay Einkäufe tätigte. Zu dieser Zeit war es üblich, dass man als Ü-Ei-Händler einen Verkaufs- und einen Einkaufsaccount auf eBay hatte. So konnten die Kunden nicht sehen, dass der Händler die an ihn verkaufte Figur vorher irgendwo anders günstiger gekauft hatte.  

 

Dort – also in Goofbay - zeigte sich, dass viele...sehr viele der Altfiguren auf eBay USA gekauft wurden und zwar in großen Mengen zu kleinsten Preisen. Es stellte sich nach etwas Recherche zudem heraus, dass diese Figuren in China produziert und in den USA als Bastelfiguren, Caketopper und anderen Verwendungszwecken in kleinen Blistern für ein paar Dollar angeboten wurden.


Also nicht im Ü-Ei. Die hiesigen Ü-Ei-Händler, denen das bekannt war, zapften diese Quelle an und bedienten sich dort. Sie verkauften die Figuren anschließend hier in Deutschland als Ü-Ei Figuren. Ein überaus lohnendes Geschäft, dass dann noch dazu ermutigte Figuren ins Ü-Ei zu schwätzen, die sogar nichts damit zu tun hatten. Es galt, was in eine Kapsel passte, war auch im Ei. Fertig! Das erschreckende war, dass dort Namen von Händlern dabei waren, die ein hohes Ansehen in der Ü-Ei-Szene genossen und deren Angebote bisher als seriös geachtet wurden.

 

Auf den Ü-Ei Börsen wurden massenhaft Altfiguren immer schön einzeln aus den Kisten geholt, sobald eine verkauft war. Es wurde schön behütet, dass unter dem Tisch hunderte gleiche Figuren lagerten. So wurde der Schein gewahrt, dass die Figuren furchtbar selten sind. Das hielt die Preise schön oben.

 

 

Es uferte dann sogar darin, dass man sogenannte Maxi-HPF Tierfamilien – also Figuren, welche zwar die gleiche Beschaffenheit hatten, jedoch zu groß für das Ü-Ei waren, als Inhalte dem Maxi-Ei zu dichtete. Einen Bezug hatte man schnell gefunden. Ferrero hatte in den 1970ern und 1980ern Sammelalben mit Tiermotiven herausgebracht, deren Bildchen in hanuta und Duplo zu finden waren. So gab es tatsächlich eine eBay Auktion, bei der einer dieser Platten mit Hundefiguren auf die Verpackung Kinder Schokolade geklebt wurde und dies dann als Rarität angeboten wurde. Fakt ist jedoch, dass die Anschaffung dieser alten Kinder Schokolade Verpackung wesentlich aufwendiger gewesen sein muss, als die Figuren für obendrauf zu besorgen. Diese wurden nämlich per Großeinkauf in Kisten über den Atlantik geschippert. 


Als die ganze Sache aufflog, brach in den Ü-Ei-Foren die Hölle los. Anschuldigungen, Käufer, die ihr Geld zurück verlangten und die betreffenden Händler in Erklärungsnot. Käufe wurden storniert. Geld musste zurück gezahlt werden.

  

Als Folge fielen die Preise für Altfiguren in den Keller. Keiner wollte sie mehr haben. Das Kind war in den Brunnen gefallen. Die beiden großen Sammlerkataloge begannen mit der Aufarbeitung. Man wollte die „Fremdfigurern“ im Katalog behalten und entschied sich für das heute bekannte Ampelsystem (grün = Ü-Ei, gelb = Ü-Ei und freier Handel, rot = nicht aus dem Ei) und fand damit eine annehmbare Lösung. Was sollte man auch tun? Die Figuren waren seit Jahren in den Sammlungen etabliert und nun von heute auf morgen fast wertlos.

Fakt ist auch, dass dieses Ereignis die Sammlerwelt in zwei Lager gespalten hatte und es einige Jahre dauerte, bis man sich wieder vertrauen konnte. Zu Anfang entstanden neue Ü-Ei-Foren, die sich dann gegenseitig in ihren Beiträgen beschimpften und beschuldigten an allem Schuld zu sein. Zu dieser Zeit entstanden Vorbehalte, die bis heute nicht gekittet sind. Der Unterschied ist, dass man sich heute einfach ignoriert.  

 

Das wirklich Interessante ist, dass die Altfiguren heute kein totes Sammelgebiet mehr sind. Im Gegenteil. Auch die US-Figuren werden von Ü-Ei-Sammler weiter gesammelt. Zu moderaten Preisen versteht sich.


Die amerikanische Quelle ist inzwischen weitestgehend versiegt. Natürlich gibt es hier und da noch welche, jedoch nicht mehr für 5....6... Dollar. Auch dort hatte man schnell erkannt, dass die Dinger hier in Deutschland gesucht sind. Sie sind quasi eingegliedert worden. Das ist sicherlich auch den Katalogmachern zuzuschreiben, welche die Figuren – die ja auch wirklich schön sind – im Katalog belassen haben.

 

 

 

 

Bilder und Text (c) Michael Graf 2021